Die Reise nach Maulle au Mer

 
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Im Alten Bahnhof

Wie jeder Fremde bin ich atemlos überwältigt, als ich den Alten Bahnhof betrete: Anstelle von Güterzügen und Gleisen bietet sich der Anblick eines gewaltigen Abgrunds unbegreiflicher Tiefe, den die Einheimischen Ginnungagap nennen.

Die endlose Leere durchspannen kreuz und quer geführte Seile, zwischen denen Hängebrücken das nachtschwarze Nichts überwinden.

Vorsichtig taste ich mich an schwankenden Tauen über wacklige Sprossen, seiltanze über stramme Stränge und schlaffe Schnüre, bis ich inmitten des Raumes eine fast schwebende Plattform erreiche, von der das Licht des fernen Einganges nur wie ein fahler Mond erscheint, der sanft die Dunkelheit durchbricht.

Ein einziger Schreibtisch steht darauf, woran ein feister Mann sitzt und mich fragt: "Was wollen Sie von mir? Nur wenige schaffen es bis hier."

"Eine Aufenthaltserlaubnis, mein Visum läuft ab", antworte ich dem Beamten des Maullenser Ausländeramtes, das unlängst den Alten Bahnhof bezog.


8. November in Maulle au Mer

 

Bahnunternehmen

Die Maullenser Bahn gilt als Musterbeispiel gelungener Privatisierung. 100 Mio. zahlte ein Investor für das Unternehmen, 20 davon aus eigenen Mitteln, den Rest über einen Kredit. Um die Schulden abzahlen zu können, musste die Bahn Personalkosten sparen, was zur Entlassung aller Mitarbeiter und zur Verdopplung des Börsenwertes führte.

Da die Züge ohne Lokführer und Schaffner nutzlos waren, verkaufte man sie an benachbarte Stadtbahnen und veräußerte die ebenso unnötigen Gleisanlagen als Rohstoff an chinesische Stahlwerke.

Für weitere Einnahmen sorgte die Asphaltierung der ehemaligen Bahnstecken, die als Umgehungsstraßen und Parkplätze an die Stadt verkauft wurden, sowie die Umwandlung der Bahnhöfe in Bürogebäude.

Kurzfristig konnte man beachtliche Umsatzsteigerungen erzielen und die bahnlose Bahn schließlich schuldenfrei für 100 Mio. weiterverkaufen, was dem Investor einen Reingewinn von 80 Mio. bescherte.

Neuer Besitzer ist der Bahnarbeiter-Pensionsfonds, dessen tausende Kleinanleger sicher eine zukunftsweisende Investition getätigt haben.

Copyright: Text von Michael Budde, Fotos von IMSI