Die Reise nach Maulle au Mer

 
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Dichterlesung

In der Maullenser Akademie findet ein Literaturwettbewerb statt. Gefragt sind Gedichte zum Thema Humor. Der Sohn des Bürgermeisters trägt sein wochenlang ersonnenes Poem vor:

Witzigkeit

Witzig ist, dass kann man sagen,
wichtig in allen Lebenslagen,
und ein Scherz zur rechten Zeit
hat noch niemand nicht gereut.
Spaß ist gut, das weiß man eh,
doch Gesundheit ist das Wichtigste.

Einsames Klatschen betont das betretene Schweigen. Peinlich berührt blicken die Gäste nieder. Ich erhebe mich aus dem Publikum und improvisiere aus dem Stegreif:

Mare Serenitatis

Oft schwamm ich tagelang im Meer der Heiterkeit,
und auch die größte Sorge schien unendlich weit.
Ich stieß mich ab von ernsteren Gestaden,
um ungestüm in sinnenfroher Leichtigkeit zu baden.

Ich tauchte ab in zynisch-dunkle Tiefen,
um mich alsbald zu leichter Muse hochzuhieven.
Ich ritt auf Wogen sprudelnder Bonmots
und sagte gänzlich mich vom Ernst des Lebens los.

Mich trugen Wellen peitschender Grotesken
bis an die Ufer alberner Burlesken.
Gefolgt von Haien beißender Satire
durchschwamm ich komödiantische Reviere.

Mal zog es mich in einen Strudel voller Glossen
hinab zum Boden lächerlicher Possen.
Doch karikierend kämpft' ich mich empor
bis an die Oberfläche - mit Humor.

Belustigt trieb ich im Pointenteich
und pläsantierte anekdotenreich.
Mit Süffisanz umschifft' ich manche Klippe,
auf dass die Komik nicht zur Farce umkippe.

Brandungsumspült von kecker Narretei,
zog scherzend ich an manchem Schwank vorbei.
Und zu frivolen Aperçus verführt,
schien's, als ob alle Welt sich amüsiert.

Und doch - wie lang auch immer ich geschwommen,
am Ende ist, gleich einem Wüstenwinde,
noch jedes Mal die Schwermut über mich gekommen,
und auch die Angst, dass ich das Meer einst nicht mehr finde.

Als der tosende Applaus verebbt, erhält der Sprössling des Bürgermeisters die Siegertrophäe.


14. November in Maulle au Mer

 

Die Akademie

An der Akademie kann nur studieren, wer einen bestimmten IQ aufweist. Fehlende Intelligenz-Punkte können aber durch monatliche Ausgleichszahlungen kompensiert werden. Auf diese Weise finanzieren die Reichen das Studium der Schlauen. Da es mehr wohlhabende als kluge Maullenser gibt, wirft die Hochschule sogar Gewinn ab.

Je nachdem, aus welchem Grund jemand zum Studium zugelassen wurde, muss er nach dessen Absolvierung ein Kürzel an seinen akademischen Grad hängen. Es gibt also den Dr. p.c. "pecuniae causa" und den Dr. m.c. "mentis causa", sodass man sich auf dem OP-Tisch entscheiden kann, ob man lieber einen Chirurgen möchte, der seines Geldes wegen studieren konnte, oder seines Verstandes wegen.

Copyright: Text von Michael Budde, Fotos von IMSI