Die Reise nach Maulle au Mer

 
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Flugpost
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Flugpost

Ich erwache im Vergnügungsviertel und schleiche mich leise aus dem Haus. Auf der morgendlichen Straße herrscht geschäftiges Treiben. Kannn eine Straße morgendlich sein? Ja, wenn sie den kühlen Duft der Nacht gegen die niedersinkende Hitze des nahenden Tages verteidigt.

Stimmengewirr und Verkehrslärm verstummen, als ein Flugzeug im Tiefflug über das Stadtviertel kreist und ein Flugblattgewitter in die Straßenzüge regnet. Zehntausend weiße Zettel wirbeln ziellos wie Zypressenlaub welker Zweige windbespielt zu Boden.

In Maulle au Mer gibt es keine Briefkästen, weder an der Post noch an den Häusern. Wer Schriftliches übermitteln will, gibt ein Telegramm auf, dessen Text auf Flugblätter gedruckt wird, zusammen mit Werbung und behördlichen Mitteilungen. Ein Postgeheimnis gibt es also nicht, dafür aber ist die Korrespondenz kostenlos.

An manchen Tagen nimmt die Werbung überhand, dann bieten die Blätter nur noch Anzeigen und prasseln in solchen Mengen auf die Fußgängerzonen nieder, dass man von Spam-Gewittern spricht.

Erfahrene Hausfrauen tragen, um weder Angebote noch Klatsch und Tratsch zu verpassen, einen Weidenkorb auf ihrem Kopf, der sich beim Stadtbummel wie von selbst mit den herabfallenden Neuigkeiten füllt.


13. November in Maulle au Mer

 

Liebesdienste

Das Maullenser Bordell ist ein gut besuchtes Freudenhaus. Die Freude der Gäste besteht darin, dass sie den Damen des Gewerbes Witze erzählen und diese darüber lachen. Garantiert.

Wo geistlose Gags goutiert und blöde Bonmots belacht werden, da zahlt der Besucher gerne, da findet die zäheste Zote Zuspruch und man Kalauer zum Kichern komisch.

Frauen und andere Intellektuelle fragen sich gewiss, worin der Reiz bestehe, jemanden für das Lachen über die eigenen schlechten Witze zu bezahlen, denn Humor bedeute doch gerade, dass man von sich aus Heiterkeit errege und nicht gedungenes Gelächter erzwinge.

Vielleicht verwechseln die Kunden dieses Etablissements das Lachgeräusch mit der Erheiterung, vielleicht geht es ihnen nur um die Selbstbestätigung als gute Witzeerzähler, vielleicht aber haben sie auch nie echten Humor erlebt.

Copyright: Text von Michael Budde, Fotos von IMSI