In Glasgewittern
Vorm Militärmuseum stehen stattliche Kanonen, die Richtung Stadtmitte weisen. Meine Frage, ob sie noch benutzt werden, wird bejaht: jeden Mittag zum Salut, jedoch ohne Munition.
Letzteres erscheint bedauerlich, also hebe ich mit Hilfe tatkräftiger Touristen eine Eisenkugel ins Kanonenrohr.
Als ich zum Essen heimfahre, höre ich die Kirchenglocken läuten und eine dumpfe Detonation in der Ferne. Urplötzlich ein ohrenbetäubender Knall: die Heckscheibe zerbirst in zehntausend Splitter, stecknadelspitze Scherben schießen Geschossen gleich durch den Wagen und spicken die Polster mit gläsernen Pfeilen.
Ich gerate ins Schleudern und pralle gegen einen Baum. Unverletzt entwinde ich mich dem Wrack, doch aus dem Motorraum rinnt rotes Maschinenöl und nur ein Wimmern ist dem Auto noch abzugewinnen.
Ich setze meinen Weg zu Fuß fort, der rollenden Eisenkugel folgend.
18. November in Maulle au Mer
Wehrdienst
Die Abschaffung der Armee beruhte auf einem Frisurenproblem. Einst waren nur Männer wehrpflichtig und für jeden Rekruten war es unabdingbare Pflicht, sich die Haare kurz zu schneiden, da lang wallendes Haupthaar im Ernstfalle hinderlich sei. Schließlich könnten sich Zöpfe, Schöpfe und Strähnen in der Ausrüstung verfangen.
Als aber die Frauen ebenfalls zum Armeedienst eingezogen wurden, galt die Frisurenregelung für diese nicht, sondern blieb auf die Männer beschränkt, da es doch schade sei, wenn eine Frau ihre hübschen langen Haare verliere, während anständige Männer nun einmal Kurzhaar tragen sollten.
In diesem Augenblick merkte die Bevölkerung, dass eine wirkliche Bedrohung kaum existieren könne, wenn das Militär nicht nach praktischen Erwägungen entscheide, sondern den angestaubten Geschlechterklischees alternder Generäle folge.
Entweder sei jahrelang Energie auf die Einhaltung unnützer Vorschriften verwendet worden, oder man opfere die nationale Sicherheit nun der Damenmode. Beide Möglichkeiten ließen nur den Schluss zu, so die allgemeine Überzeugung, dass die Armee eine Gefahr von außen gar nicht befürchte, sondern ein nutzloser Arbeitsbeschaffungsverein sei, den man auch auflösen könne.