Rücktritt
Überraschend erreicht mich die Nachricht vom Rücktritt Gottes. Unser Himmlischer Vater sei von allen Ämtern zurückgetreten und stehe nicht mehr zur Verfügung.
Anfänglich betrübt mich ein wenig, dass der erste Beweis seiner Existenz in seiner Abdankung besteht, dann aber befällt mich eine melancholische Anwandlung und ich betrete seit langer Zeit wieder eine Kirche.
Dort ist man noch ratlos ob der neuen Situation und hofft, mit dem gesamten Personal vom Nachfolger übernommen zu werden. Gottesdienste und Beichten könne man bis auf weiteres nicht bieten, wird mir bedauernd beschieden, und auch des Betens wird mir entraten, da es nichts mehr bewirke.
Bald aber werde man den gewohnten Service wieder im Angebot haben, bis dahin solle ich doch die Dienste des Buddhismus beanspruchen, der einer Gottesfigur entbehre.
Ich lehne dankend ab und gestehe, nur aus Nostalgie gekommen zu sein, ohne ein religiöses Bedürfnis zu verspüren. Den Abend verbringe ich im Bordell. Wir sitzen auf der Bettkante und diskutieren über Gott.
12. November in Maulle au Mer
Gott zurückgetreten
(mpa) Eden. Wie soeben verlautet, ist am Montag der derzeit amtierende Gott, Allah Jahwe, vor Ablauf seiner Vertragslaufzeit von seinem Posten zurückgetreten.
Als Gründe nannte er zunehmende Unzufriedenheit mit seinen Angestellten und das selbstkritische Eingeständnis, der Kundschaft nicht immer die gewünschte Leistung erbracht zu haben. In Zukunft wolle er sich der Gartenarbeit auf seinem Anwesen in Eden widmen und evtl. ein viertes Buch nach seinen Bestsellern Talmud, Bibel und Koran schreiben. Er scheide nicht verbittert aus dem Amt, so Jahwe, meine aber, dass es Zeit für einen jüngeren Nachfolger sei.
Herr Jahwe hatte die Position eines Gottes seit etwa viertausend Jahren inne und erfreute sich anfangs großer Beliebtheit, schien aber in den letzten Jahrhunderten zunehmend das Interesse am Tagesgeschäft zu verlieren und immer mehr Aufgaben an untergeordnete Stellen zu delegieren.
Abteilungsleiter Benedikt XVI. nannte den Rücktritt einen herben Verlust und äußerte die Hoffnung, der Sohn möge den Posten des Vaters übernehmen, doch wie aus Fachkreisen verlautet, genießt dieser nicht in allen Fillialen das nötige Vertrauen, es werde daher ein externer Bewerber bevorzugt.