Die Reise nach Maulle au Mer

 
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November 2024
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Abendessen in Maulle au Mer

Ich sitze mit Marie im Promenades. Wir essen Lombasten. Sie ist schön wie nie, hat scheue Augen, schmolle Lippen, schwarzes Haar.

Unser Besteck besteht aus Zinkgabel und Gilbzange, denn ohne Werkzeug sind Lombasten schwer zu kosten.

Die Zange dient zum Schneiden der Scheren, derweil die Gabel mit zwei kurzen Zinken das Fleisch aus dem Scherenpanzer schält. Ihr breit gewölbtes Ende erleichtert das Auslöffeln der Schale und das Beträufeln mit Butter.

Lombasten werden lebend verzehrt, wie es Sitte ist in Maulle au Mer. Ich trenne zuerst die Stielaugen ab, während der Rest sich auf dem Teller rührt und panisch Kruste an Porzellan klappert. Mein schönes Gegenüber goutiert delikates Gebein, das noch Nervenzuckungen zeigt.

Hielten nicht tönerne Klammern das Getier auf dem Gedeck, es kröche vor Schmerzen vom Tisch. Ich breche behutsam den Panzer auf, um das bebende Herz mit Butter zu benetzen und beiße genüsslich hinein. Mein Abendgast nagt am Lombastenast und kaut bei Kerzenschein ein schlankes Schalenbein.

Zum Nachtisch gibt es Schamollenkerne in Aspik. Wir wechseln das Besteck, doch weder Wort noch Blick. Schweigsam schlemmen wir, matt ermüdet Marie, sinkt schlaff in sich zusammen, und schläft mir schließlich ein. Ihr Ruhe und Rechnung lassend, schleiche ich aus dem Lokal.


3. November in Maulle au Mer

 

Lombastenfischerei

Die Fischereiwirtschaft in Maulle au Mer fußt auf dem Lombastenfang, an welchem das Wohl und Wehe vieler Familien hängt. Traditionell erbt der älteste Sohn das Fischerboot und seine Brüder arbeiten als Taucher, Sieder und Netzwickler auf seinem Kutter.

Durch Überfischung gibt es leider kaum noch einheimische Lombasten, sondern diese werden auf großen Zuchtfarmen in Fernost gezogen und täglich per Flugzeug nach Maulle au Mer verfrachtet, wo sie abends mit großen Lastschiffen aufs offene Meer geschafft werden, damit sie morgens bis an die Küste getrieben sind, wo sie von den Maullenser Fischern eingefangen werden.

Dieses Verfahren sichert Tradition und Arbeitsplätze, wenngleich es von hohen staatlichen Subventionen abhängig ist. Man spart das nötige Geld vor allem im sozialen Bereich wieder ein.

Copyright: Text von Michael Budde, Fotos von IMSI